Fans: "Ihr Gehirn ist eine Enzyklopädie".

Foto: Khorsand

Für Christina Camp (li) und ihre Studienkollegin Elisabeth Mejia ist Coulter definitiv ein Role Model.

Foto: Khorsand

Radar Radford ist ein wahrer Jünger. Akribisch hat der Mittfünfziger die Schriften seiner Prophetin studiert. Stolz zeigt der Hobbyhistoriker die unterstrichenen Passagen und die Notizen, die er sich in Ann Coulters jüngst erschienenen Buch gemacht hat. "Ihr Gehirn ist eine Enzyklopädie", schwärmt er. Vier Exemplare von "Demonic" hat er unter seinem Arm geklemmt. Sie alle soll Ann Coulter mit einer persönlichen Widmung versehen. Geduldig wartet Radford mit rund hundert anderen Pilgern in der Heritage Foundation auf ein Autogramm. Der konservative Think Tank, in der Nähe des Kapitols hat zu einer Signierstunde mit der umstrittenen Starautorin eingeladen. 

Frisches Material gegen Obama

Pünktlich zum Wahlkampfauftakt präsentiert Ann Coulter ihren Anhängern frische Argumente gegen Obama und seine vermeintlich blauäugigen Sympathisanten. Mit ihrem achten Buch "Demonic: How the Liberal Mob is Endangering America" knüpft die jugendliche 50-Jährige an bisherige Erfolge an. In nur einer Woche hat es "Demonic" auf Platz sechs der New York Times Bestsellerliste geschafft. Nach markanten Titeln wie "Wenn Demokraten ein Hirn hätten, wären sie Republikaner" und "Wie man mit einem Liberalen spricht (wenn man muss)", rechnet sie auch dieses Mal mit der Wurzel allen Übels ab: den Liberalen. So identifiziert sie "Mobpsychologie" als ein rein liberales Phänomen, mit Vorliebe praktiziert von der demokratischen Partei. "Demokraten aktivieren Mobs, sind abhängig von Mobs, umhegen Mobs, bewerben und feiern Mobs - sie sind der Mob", schreibt die New Yorkerin in ihrer Einführung.

Es sind solche Sätze, die ihre Kontrahenten in Rage versetzen - und die sie zur Ikone der amerikanischen Rechten etabliert haben. Unmittelbar nach den Anschlägen vom 11. September forderte Coulter den Kongress auf, alle Ausländer aus arabischen Ländern in ihre Heimat abzuschieben. Sie beschimpfte Witwen, deren Ehemänner bei den Terroranschlägen umgekommen sind, als "Hexen." So behauptete sie, dass einige Frauen den Tod ihrer Ehemänner genießen und als Politikum nutzen würden, um gegen die damalige Bush-Regierung zu kampagnisieren. Auf Collegevorträgen empfiehlt sie muslimischen Studenten Kamele als Fortbewegungsmittel zu benutzen und philosophiert in Fernsehshows von einem Christentum, das von perfektionierten Juden träume. 

Coulter gegen Bachman

Ist eine großmäulige Blondine, das was die republikanische Partei braucht? Kann eine Ann Coulter den Konservativen bei den Präsidentschaftswahlen in 2012 die nötigen Stimmen bringen? "Ich glaube nicht, dass jemand in der republikanischen Partei Ann Coulter für seine Zwecke nutzen würde", meint John Karaagac, Politikwissenschafter und Dozent an der Johns Hopkins University. Karaagac, der zahlreiche Bücher über die Republikaner geschrieben hat, geht davon aus, dass eine Polemikerin wie Coulter für viele in der Partei ein Dorn im Auge darstellen könnte: "Ich vermute, dass vielen Anhängern von Michele Bachmann (Anm. Kandidatin der Teaparty) Coulters schillernder Persönlichkeit missfällt. Aus politischer Sicht willst du unter allen Umständen vermeiden, dass das Individuum der Botschaft im Weg steht. "

Und Ann Coulter eignet sich kaum als Mittel zum Zweck einer Botschaft, höchstens ihrer eigenen. Sie gibt gerne den Agent Provokateur, verprellt den amerikanischen Mainstream, Demokraten wie Republikaner mit ihren Hasstiraden, dem schnippischen Ton und dem überbordenden Selbstbewusstsein. Wenn Coulter vor laufender Kamera die Augen verdreht, Interviewern und Kontrahenten als Idioten und Heulsusen beschimpft, die nicht einstecken können, hypnotisiert sie Konservative wie Liberale. In keinem anderen Medium entfaltet sich das Phänomen Coulter besser als im Fernsehen. Journalisten verkrampfen sichtlich, wenn die Polemikerin gegen Demokraten, Muslime, Homosexuelle, die Medien oder Scheinrepublikaner wettert. Sie teilt so lange aus, bis Moderatoren erschöpft in die Werbepause einleiten. Komme was wolle, Eingeständnisse oder gar Bedauern für etwaige Fehlgriffe lässt sie sich keine abringen. Und dafür lieben sie ihre Fans. 

Role Model

Hier in der konservativen Heritage Foundation hat Coulter ein Heimspiel. Ein jeder kennt hier ihre Rhetorik, ihre Argumente von den minderbemittelten Liberalen und den unartikulierten Republikanern in den eigenen Reihen. Man weiß von ihren Ticks, wie sie gerne die langen Haare regelmäßig von links nach rechts wirft und wieder zurück. Sobald sie das Podium betritt, ist sie für viele nur noch Ann. Männer und Frauen, Senioren und Studenten himmeln sie an. Mütter würden sie am liebsten adoptieren, Männer zu einem Drink einladen und junge Frauen kopieren.

"Wäre ich nur halb so witzig und intelligent, hätte ich jetzt sicher einen Job", sagt Christina Camp und lacht. Die 22-Jährige hat so eben ihr Studium in Asienwissenschaften absolviert. Für Camp und ihre Studienkollegin Elisabeth Mejia ist Ann definitiv ein Role Model: Eine studierte Juristin, Absolventin der Eliteuniversität Cornell, erfolgreiche Buchautorin und nationaler TV-Star. "Ann hat mir mehr beigebracht, als meine Professoren. Sie hat mich zu einer soliden Konservativen gemacht", sagt Camp stolz. 

Unter ihresgleichen

Ehrfürchtig lauschen die beiden jungen Frauen, wenn Coulter den anwesenden Collegestudenten abrät Jus zu studieren, weil es dort von Liberalen nur so wimmle und applaudieren, wenn sie Anekdoten erzählt wie sie ehemalige Ökoaktivisten zu erzkonservativen Republikanern konvertierte. Sie nicken, wenn Ann von Chris Christie schwärmt, dem republikanischen Gouverneur vom New Jersey, einem stämmigen Katholiken, den Coulter gerne 2012 im Präsidentenamt sehen würde. Bisher hat sich Christie geweigert anzutreten. "Doch die Wirtschaft ist so ein Desaster und Obama so überempfindlich, dass wir mit jedem Kandidaten diese Wahlen gewinnen könnten", posaunt Coulter vom Podium, bevor sie zur Signierstunde marschiert. Unter ihresgleichen hat sie es nicht notwendig die Piranha-Taktik auszufahren. Hier ist sie ganz Geschäftsfrau, die ihre Bücher verkaufen will.

Doch jeder weiß, dass sie auch anders kann. Jünger Radar Radford kennt ihre Rituale, vor allem dann, wenn sie angegriffen wird. Fast 20 Jahre Coulter-Studium haben ihn zu einem Experten gemacht. "Sie reißt dir das Herz aus der Brust, während du dabei zusiehst", sagt er. Er lächelt, als gebe es nichts Schöneres als von einer konservativen Blondine in knappen Kleidern und High Heels zur Schnecke gemacht zu werden. (Solmaz Khorsand, derStandard.at, 22.6.2011)